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Temp~ 07 (Tag 2)

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Ein Geburtstagsfest, das bis nächsten Tag Mittag dauert, verdient Respekt. Vor allem wenn sich die Feierlichkeiten auf insgesamt drei Bühnen abspielen und wir nach 19 Stunden Tanzunterhaltung gerade erstmal bei der Halbzeit sind. Vierzehn DJs, sechzehn Live Acts und genauso viele VJs zähle ich auf dem kleinen weißen Programmzettel, allein heute. Wie viele es gestern waren, weiß ich nicht mehr.

Also wieder viel zu tun. Und das in der Nacht, in der die 100.000 Sternschnuppen erwartet werden.

Freunde

Herr Schlachter

Herein zur Tür und nur bekannte Gesichter. Auf diesen kleinen Festivals scheint ja sowieso jeder jeden zu kennen, aber diesmal kenn’ ich auch wen. Kollege Schlachter hat Kollegen Bliss an Bord genommen und eröffnet die Live-Sets. Anmoderiert wird er von Kollegen Schönswetter. Und schon ist wieder Schluss mit Namedropping.

Silly

‘Looks like checking e-mail, never gets a female’, schreibt ein Poster unter den Nachbericht von temp~ Tag 1, als ich auf den erfreulichen Umstand aufmerksam mache, dass beim temp~ meist einiges mehr zu sehen ist als Köpfe, die hinter Laptopmonitoren verschwinden. Bei Silly kriegt dieser Satz eine nicht unkomplizierte Bedeutungsebene dazu.

Silly

Die avantgardistischen Sound-Vorhänge verhüllen das Strombauamt in ein absurd-schönes Szenario. Kaum jemand schaut zu. Die Leute sitzen in den tiefen Ledersofas, die Augen sind entweder geschlossen oder starren zum Himmel, als ob sie die Sternschnuppen durch die Wolken suchen würden.

Ich frage mich, ob es im breiten Fächer der Kulturproduktion noch eine Gattung neben ‘Noisy Ambient’ gibt, bei der uns die ProduzentInnen die Möglichkeit bieten, bewusst nicht an ihrer Live-Performance teilzunehmen. Ich denke nicht. Schön, wenn man immer wieder einmal mit MusikerInnen zu tun hat, die ihre Autorenschaft nicht zum Zentrum ihrer Produktionen machen.

Gleich danach: hört! rappen zu reduzierten Beats genauso wie über frühe Disco-House-Orgeln mit live Schlagzeug und Violine. Sehr nett.

Das Licht macht uns zu recht gleichen Menschen.

Als Special heute begleitet uns die Textstrombande mit Mieze Medusa, Markus Köhle, Alex Gendlin und Jimi Lend durch den Abend. Umbauposie nennen sie ihre Poetry-Slam- und Text-Performances. Völlig anders als die Musikarbeiterkapelle gestern bekommt der Abend durch die Textstrom-Lesungen einen neuen Drall.

Brenda

Wenn gestern Amos – der Imperator des Pop – den Sonderpreis für ‘most ambitioned outfit’ abgestaubt hat, dann ist es heute Brenda mit lila Glitzersakko und Krawatte. Auch hier immer wieder Glücksbekundungen, wenn die Bassdrum nach kurzer Pause wieder präzise ihre 128 Schläge pro Runde des Sekundenzeigers in die Nacht schickt.

Seinen Laptop unterstützen Gitarre und Live-Vocorder, und weil der CD-Player nicht selbstständig zur nächsten Nummer will, bittet Brenda höflich um Unterstützung. So schnell macht die Improviationskunst einen Fotografen zum DJ.

Brenda

Brendas Sound erinnert mich stark an eine Compilation mit dem Titel ‘2080 – The Eighties are now’ mit Little Computer People, Neoangin und Erobique. Die ist aus dem Jahr 2000. Die dauern ganz schön lang – die 80er.

Irradiation

Dann betritt die Gastgeberin selbst die Bühne. Irradiatons Rechner stampft sich in bewährter Manier eine Schneise durch das Strombauamt Greifenstein und bricht kleine E-Gewitter vom Zaun.

Parallel verwandelt der FM4 Soundpark Gewinner Massalah die Tent-Stage in seine private Rumpelkammer. Türme von Equipment stehen vor ihm. Ein mit Computertastatur gepimptes USB Interface im Stil des MS20, einen Theremin mit Air-Fx kann ich vernehmen und allerhand Kinderspielzeug, das er zu Klangerzeugern umgebaut hat. Mit Jedi-Schwert und Future-Revolver statt Maus und Laptoptastatur verdient Massalah den Sonderpreis in der Kategorie ‘most ambitioned performance’. Der Clou an der Geschichte. Das ganze Zeug passt in einen großen weißen Koffer. Alles fix fertig verkabelt.

Masallah

Schöne Bilder überall, hier von Frau Mag Rosa Pink & Mojonaut

Überraschung

Spoken Words treffen gerade auf die schweren, raumgreifenden Beats von Irradiation, als ich wieder zurück vor der Open Air Bühne bin. Wer glaubt, dass Freestyle MCs nur im Umfeld von Hip Hop gut funktionieren, der/die irrt. Mieze Medusa holt die Menschen ganz nah an die Bühne und gießt die Stimmung von zwei Tage ‘Do It Yourself’-Festival in ein liebevolles Freestyle-Wortkorsett. Der emotionale Höhepunkt.

Temp 2007 Mieze Medusa

Mieze freestylt und Irradiation hüpft im Hintergrund.

Markus Kienzl

Schon parallel zur Show von Wang Inc. baut Markus Kienzl sein Equipment auf. Ganz ruhig und ohne sich von der live Performance einen Meter neben ihm stören zu lassen. Es wirkt als hätten alle auf ihn gewartet.

Zu Recht: Er zündet ein kleines Feuerwerk, das irgendwo zwischen urbanem Dub-Reggae, schweren Breaks und paranoidem Abstract-Hop mit Vocalsamples oszilliert.

Viel Dub und wenig Platz zum Verschnaufen.

Man sollte öfter Geburtstag feiern. So im großen Stil.

Dieser Artikel ist am 12. August 2007 auf fm4.orf.at erschienen.


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